Venedig: See- und Handelsmacht

Venedig: See- und Handelsmacht
Venedig: See- und Handelsmacht
 
Seiner besonderen Lage im Schutze der Lagune und im Grenzbereich fränkischer und byzantinischer Herrschaftsinteressen verdankte Venedig den steilen Aufstieg zur Seemacht und Handelsmetropole im östlichen Mittelmeerraum. Mit dem Aufbau einer Flotte machte sich die aufstrebende Handelsmacht, die bereits im 8. Jahrhundert - bei grundsätzlicher Anerkennung der byzantinischen Oberhoheit - einen eigenen Dogen (abgeleitet von lateinisch »dux«, »Herzog«) als Stadtoberhaupt wählte, bei den Byzantinern unentbehrlich. Als es gelang, einen Angriff der süditalienischen Normannen auf Byzanz zurückzuschlagen (1082), wurde Venedigs Engagement durch Handelsprivilegien (z. B. Abgabefreiheit im Byzantinischen Reich) belohnt, die den venezianischen Kaufleuten eine beherrschende Stellung im byzantinischen Orienthandel einräumten. Die Kreuzfahrerstaaten mussten die venezianische Flottenhilfe durch weit reichende Sonderprivilegien (z. B. Abtretung eines Drittels der Stadt Tyrus mit eigener Gerichtsbarkeit) teuer erkaufen.
 
Ende des 12. Jahrhunderts drohte die venezianische Handelsposition im Byzantinischen Reich in eine Krise zu geraten, als sich in Konstantinopel die lateinerfeindliche Stimmung in der Verhaftung von über 20000 Venezianern (1171) sowie der Vertreibung der italienischen Kaufleute (1182) entlud. Doch 1204 gelang es den Venezianern unter ihrem Dogen Enrico Dandolo, den 4. Kreuzzug, der zur Eroberung Konstantinopels und zur Errichtung des Lateinischen Kaiserreiches führte, für ihre Interessen zu nutzen. Neben unermesslichen Kunstschätzen, die nach Venedig verschleppt wurden, ließ man sich bei der Aufteilung des Byzantinischen Reiches die strategisch wichtigen Küstenregionen und Inseln Griechenlands abtreten und konnte so das östliche Mittelmeer mit dem lukrativen Levantehandel zu einem venezianischen Handelsimperium ausbauen, das dann allerdings mit dem Zusammenbruch des Lateinischen Kaiserreiches (1261) weitgehend an Genua verloren ging.
 
Nach einem Jahrhundert schwerer Kriege konnte sich Venedig zwar gegenüber Genua durchsetzen (Sieg bei Chioggia 1380), wurde selbst aber mehr und mehr von den Osmanen aus dem östlichen Mittelmeerraum verdrängt. Daher ging die Stadt seit dem 14. Jahrhundert verstärkt dazu über, in Norditalien ein Festlandsterritorium aufzubauen (»Terra-ferma-Politik«), das im 15. Jahrhundert bis Verona (1405), Padua (1406) sowie Brescia und Bergamo (1428) ausgeweitet werden konnte. Im Innern wurde die monarchische Verfassung seit dem 12. Jahrhundert in eine oligarchische Adelsherrschaft umgewandelt, die durch ein Gefüge von Institutionen (Großer Rat, Kleiner Rat, Rat der Zehn, Rat der Vierzig) sicherstellte, dass weder der auf Lebenszeit gewählte Doge noch eine Familie allein in der Lage waren, die Herrschaft in der Stadt an sich zu reißen.
 
Die Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen, die Entdeckungsreisen und die Öffnung des Seeweges nach Indien Ende des 15. Jahrhunderts bedeuteten dann eine Verlagerung des Welthandels, die für Venedig erst den wirtschaftlichen, dann den politischen Niedergang mit sich brachte.

Universal-Lexikon. 2012.

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